Hiroshima, Stadt der Geschichte, Part 2

Ganz in der Nähe des Friedensparks gab es noch einen weiteren kleinen Garten mit Science Museum für Kinder. Da es dort aber auch ein Planetarium gab und die nächste Show bald anfangen sollte, dachte ich mir, hey, wieso nicht? Ist sicher interessant. Außerdem liefen da auch viele Leute in meinem Alter herum, und als Ausländer falle ich ja sowieso schon genug auf, schlimmer kann’s also nicht werden^^

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Das Science Museum mit Planetarium.

Da es danach immer noch hell war (anscheinend geht nur auf Okinawa die Sonne so früh unter), es aber zu spät war, was „Großes“ zu unternehmen, entschied ich mich dafür, noch zum Schloss zu gehen, da das ganz in der Nähe war. Zwar sehen japanische Schlösser irgendwann alle einfach gleich aus, aber trotzdem ganz nett. Zwar habe ich bisher noch kein „authentisches“ Schloss hier gefunden (alles nach 1945 wiedererbaute Fakes), aber naja, da im Zweiten Weltkrieg so ziemlich alles zerstört wurde, wird es wohl auch schwer, ein noch wirklich altes Schloss zu finden.

Eigentlich hatte ich geplant, in das Schloss in Himeji zu gehen (ist ja scheinbar das bekannteste) und mir die anderen nur von Außen anzuschauen, aber auf der Tafel im Eingangsbereich stand doch tatsächlich, dass Austauschschüler und -studenten freien Eintritt bekämen. Yay! :D

Die Frau war zwar leicht verwundert über meinen Ryûdai-Studentenausweis („Sie besuchen Hiroshima in den Ferien? Wie schön!“), freute sich dann aber anscheinend tatsächlich und gab mir noch zusätzliche Infos zum Schloss.

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Hiroshima-jô.

Im Grunde läuft man da von einem Stock in den nächsten die Treppen hoch, während auf jeder Etage entweder Gegenstände wie Rüstungen und Schwerter ausgestellt sind, oder Tafel mit Fotos, die die Geschichte der Stadt und des Schlosses erzählen. Weiter oben gab es noch Miniaturen des Schlossen sowie der Umgebung und und und. Ich habe mich in der Schule nie besonders für Geschichte interessiert, aber japanische Geschichte finde ich auf ihre Art dann schon ziemlich faszinierend. Außerdem war es eine gute Gelegenheit, mal ein paar Geschichts-Kenntnisse aus den ersten beiden Semestern aufzufrischen^^

Ansonsten verbrachte ich auch viel Zeit damit, mir Rüstungen und Samurai-Schwerter genauestens anzusehen *hust* Inspiration fürs Zeichnen und so… ;)

Ganz oben gab es dann noch eine Aussichtsplattform, von der aus man einen schönen Überblick über die Stadt hat.

Dafür, dass ich umsonst hineindurfte, also sehr sehr gut :)

Wieder draußen, machte ich mich nochmal auf den Weg, in irgendeine Richtung zu laufen (ungefähr zum Hauptbahnhof, da ich mich noch nach Reisemöglichkeiten zu meinem nächsten Ziel informieren wollte), entdeckte unterwegs aber ein Schild, dass es in der Nähe wohl noch einen Garten gäbe. So beschloss ich spontan, mir den auch noch „kurz“ anzuschauen.

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Im shukkeien.

Der shukkeien, obwohl nur zufällig entdeckt, erwies sich als Volltreffer. Zwar ist er nicht besonders groß, aber unglaublich schön. Viel Grün, ein kleines Café, viel Wasser, nur ein paar Touris und allgemein sehr ruhig. Er gefiel mir so gut, dass ich mich irgendwann einfach mal auf eine Bank setzte und ein Buch auspackte, um zu lesen. Das tat ich dann, bis es dunkel wurde und ich dachte, ich sollte doch zurück. In dem Moment kam dann auch ein japanischer Beamter vorbei, um mich zu informieren, dass der Garten bald schlösse und ich mich bitte auf den Rückweg machen sollte. Ups^^ Ich habe mich sofort entschuldigt, aber im Gegenzug entschuldigte sich der Herr dann etwa fünf Mal dafür, dass ich nicht weiter bleiben dürfe. Ich werd’s nie verstehen^^

Wer mal in Hiroshima ist: Der shukkeien ist eine klare Empfehlung!

Später dann fand ich einige kleine Essensläden unter einer Brücke (o.O), die allesamt winzig waren, aber eine sehr gemütliche Atmosphäre. In einem davon dann aß ich gleich noch Hiroshimas Spezialität, Hiroshima-yaki. Sehr lecker!

Am nächsten Tag ging es zu einem weiteren beliebten Touri-Ort: Miyajima, eine Insel vor Hiroshima. Wieder mit der Fähre, diesmal aber gab es mehr Straßen und Geschäfte als auf Nokonoshima bei Fukuoka. Miyajima ist für mich Klein-Nara, da hier auch haufenweise Rehe frei herumlaufen, die alle keine Scheu vor Menschen haben. Eines biss mir natürlich wieder auf der Suche nach Futter in die Tasche, sodass ich diese später erst einmal von Reh-Sabber befreien durfte.

Ansonsten ist Miyajima berühmt für sein großes torii (rotes Holztor), das im Wasser steht (zumindest bei Flut). Das sah ich mir erst einmal von Weitem an und beschloss dann, die Insel etwas zu erkunden. Neben vielen Souvenier-Läden (die alle diese komischen Holzlöffel verkauften) gab es noch einige kleine und eine große Tempelanlage, eine Pagode, etwa 7 Millionen Schreine (einer direkt an der Küste), eine Seilbahn und einen Park. Viel zu sehen also, weshalb man den ganzen Tag dort verbringen konnte.

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Wuhu, ich war da!

Wie ganz Japan ist auch Miyajima ziemlich bergig, und als ich irgendwann weiter oben war, sah ich, dass gerade Ebbe war und man nun zum torii laufen konnte, was ich dann später auch tat. Zwar war der ganze Boden verdammt schlammig und man musste aufpassen, nicht auszurutschen (und später seine Schuhe wieder saubermachen), aber von Nahem sah das Tor noch viel beeindruckender aus. Und war unten voller Muscheln etc^^

Später, als die Sonne unterging, machte ich mich dann auf den Rückweg. Zu Abend aß ich dann in einer netten Texas-Mexas-irgendwas-Bar gegenüber der Unterkunft, die sehr gechillt war. Ich wurde gleich noch zu einem Konzert am nächsten Wochenende eingeladen, aber da ich am nächsten Tag bereits weiterfuhr, konnte ich leider nicht hingehen.

Hiroshima, Stadt der Geschichte, Part 1

Von Fukuoka aus ging es mit dem Bus in einer vierstündigen Fahrt nach Hiroshima. Auf diese Stadt war ich sehr gespannt gewesen, besonders nach meinem Besuch in Nagasaki. Die Unterkunft lag etwa zehn Minuten Fußweg vom Friedenspark entfernt, was schon einmal sehr angenehm war. In Hiroshima selbst war ich auch etwas länger, nämlich fünf Tage lang. Ganz oben auf meiner Liste standen ein Besuch des Friedensparks, des Atombomben-Doms und des Atomic Bomb Museums.

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Kenotaph (Scheingrab) am Eingang des Parks. Es gedenkt der vielen Toten des Bombenabwurfs.

Der Friedenspark selbst ist etwas größer als der in Nagasaki, aber auch unübersichtlicher. Während man in Nagasaki eher von einem Ende zum anderen läuft, ist der Park in Hiroshima eher eine große Insel zwischen zwei Flüssen und man muss mehrmals im Kreis laufen, um auch wirklich alles zu sehen. Am Anfang steht auch hier ein Denkmal, etwas weiter hinten befindet sich dann auch das Kindermonument. Im Park selbst waren neben vielen Touristen auch viele japanische Schüler unterwegs, die sich um die Pflege des Parks kümmerten.

Beim Atombombenabwurf auf Hiroshima am 6. August 1945 gehörten auch sehr viele Kinder zu den Opfern. Eines davon ist das Mädchen Sadako Sasaki, über das ich bereits in meinem Beitrag über Nagasaki kurz erzählt habe. Sie war zum Zeitpunkt des Abwurfs zwei Jahre alt und erkrankte neun Jahre später an Leukämie. Laut einer japanischen Legende bekommt man einen Wunsch erfüllt, wenn man 1.000 Origami-Kraniche faltet. Um wieder gesund zu werden, faltete Sadako deshalb viele Kraniche, einige groß, andere winzig klein. Bevor sie jedoch fertig wurde, starb sie im Alter von 12 Jahren. Dennoch wurde ihre Geschichte weltweit bekannt und diese Kraniche dann zu einem Friedenssymbol. Im Museum gibt es einen Bereich, der Sadako Sasakis Geschichte erzählt; auch einige ihrer Papierkraniche sind dort zu sehen. Nach ihrem Tod sammelten ihre Klassenkameraden Geld, um ein Monument zu errichten. Um dieses Friedensmonument der Kinder hängen deshalb auch sehr viele Kraniche, gefaltet und gespendet von Menschen aus der ganzen Welt.

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Friedensmonument der Kinder. Die Figur oben stellt Sadako Sasaki mit einem Kranich dar. An den Seiten befinden sich ebenfalls Figuren, ein Mädchen und ein Junge. Darunter hängt ein goldfarbener Kranich an einer Glocke.

Ich hatte bereits in der Uni in einem Seminar zu Japans Atompolitik von Sadako Sasaki gehört und war seitdem von dieser Geschichte sehr berührt gewesen.

Der Besuch des Parks und des Museums waren für mich deshalb auch sehr faszinierend. Das Museum ist auch etwas größer als das in Nagasaki, dadurch jedoch auch viel voller. Noch dazu war ich in der Ferienzeit unterwegs. Daher wurde man da mehr oder weniger durchgeschleust und konnte nicht wirklich alles auf sich wirken lassen. In Nagasaki waren außer mir kaum Leute in dem Museum gewesen, daher konnte ich dort besser alles in meinem eigenen Tempo durchgehen und mir alles genau anschauen.

Andererseits, vielleicht war es auch besser, dass ich in Hiroshima nicht so sehr die Gelegenheit dazu hatte. Der Besuch des Museums in Nagasaki hatte sehr bedrückend auf mich gewirkt, und Hiroshimas Museum war ganz ähnlich aufgebaut. Auch so schon war mir wirklich mulmig zumute… Ich kann das Gefühl, das mich überkam, während ich Fotos sah, Austellungsstücke begutachtete, Geschichten von Opfern las und Geschichten Überlebender zuhörte, gar nicht beschreiben. Ich glaube, man muss das Museum selbst besuchen, um es auch nur ansatzweise verstehen zu können.

Ganz in der Nähe des Parks und des Museums befindet sich auch der gembaku dômu oder auch A-Bomb Dome bzw. Atombomben-Dom. Auch von diesem hatte ich in meinem Seminar gehört und hatte ihn gerne selbst einmal sehen wollen. Ursprünglich war das Gebäude eine Art Industriekammer gewesen. Es befindet sich nur 140m von der Abwurfstelle entfernt und wurde daher auch sehr stark beschädigt – dennoch blieben viele Teile des Gebäudes erstaunlicherweise auch erhalten. Aus diesem Grunde gilt es auch als Friedensdenkmal und wurde zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Leider waren gerade, als ich da war, Restaurationsarbeiten im Gange, weshalb man nicht viel sehen konnte, da überall drumherum Gerüste standen.

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Auch in Hiroshimas Museum: Eine Uhr, die zum Zeitpunkt der Explosion stehen blieb.

Laut einer Tafel war die Aioi-Brücke neben dem A-Bomb Dome übrigens Ziel des Bombenabwurfs. Sie hat die Form des Buchstaben „T“ und war deshalb wohl aus der Luft einfach zu erkennen. Mittlerweile wurde sie wieder vollständig neugebaut. Der tatsächliche Ground Zero befindet sich jedoch etwas weiter entfernt. Er ist nicht so gut gekennzeichnet wie der von Nagasaki, im Grunde ist es nur eine Tafel am Straßenrand, direkt vor einer Arztpraxis.

In der Gegend waren viele freiwillige Helfer unterwegs (zumeist ältere Japanerinnen und Japaner), die bei Fragen gerne weitere Informationen gaben und einen durch den Park oder das Museum führten oder auch Müll o.ä. aufsammelten. Auch das fand ich sehr beeindruckend; einige von ihnen waren auch direkt oder indirekt von dem Abwurf betroffen – entweder, weil sie zu dem Zeitpunkt noch kleine Kinder waren oder weil ihre Eltern bzw.  Großeltern betroffen waren.

Wenn man heutzutage durch die Straßen Hiroshimas oder Nagasakis wandert und nicht genau weiß, wonach man Ausschau halten muss, würde man niemals auf die Idee kommen, was hier vor gerade einmal 70 Jahren geschehen ist. Dementsprechend ist es wirklich erstaunlich, wie schnell die Städte wieder aufgebaut wurden und sich (zumindest äußerlich) erholt haben. Dennoch waren, sind und werden die Folgen der Atombomben-Abwürfe in diesen Gegenden wohl noch sehr lange zu spüren sein; besonders unter der Bevölkerung ist immer noch die Angst vor Spätfolgen da.

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Natürlich gibt es neben dem Friedenspark, dem Museum und dem A-Bomb Dome noch viel mehr in Hiroshima zu sehen. Auch vor Hiroshima gibt es eine Insel (Miyajima), die beliebtes Reiseziel von Touristen und bekannt für ihr riesiges torii ist, das quasi mitten im Wasser steht. Dazu noch den ein oder anderen weiteren Park, unter denen mir der shukkeien besonders gefiel und natürlich der ein oder andere Tempel oder Schrein. Auf den Rest meines Hiroshima-Aufenthalts werde ich dann aber in einem weiteren Beitrag eingehen.