Sapporo, Stadt des Schnees (Part III)

Zeit für die letzte Geschichte aus Hokkaidô.

Den folgenden Tag ließen wir alle gemütlicher angehen. Nach dem Frühstück nahm mich Kimura-san mit zu ihrer Werkstatt, damit ich mir genauer ansehen konnte, womit sie ihre Zeit verbringt. Beruflich stellt sie nämlich Möbel her, die sie dann verkauft. Da jedes einzelne Stück handgefertigt ist, handelt es sich um Unikate. Ab und an erhält sie auch Aufträge; und auch die Möbel in ihrer Wohnung sind alle selbstgebaut, wie sie mir erzählte. Da war ich erst einmal baff – dabei sah alles so professionell aus! Sie erzählte mir, wie viel Spaß ihr ihre Arbeit mache und dass sie trotz mancher Unsicherheit sich doch immer wieder dafür entscheiden würde.

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Ein Teil der Werkstatt. Die Tonne mit dem Feuer fand ich besonders cool. Hat irgendwie was.

Nachdem ich nun also die Werkstatt mit all ihren Gerätschaften begutachtet hatte, wollte sie mich eigentlich wieder zur U-Bahn bringen, aber da gerade ein Schneesturm aufzog, bot sie mir an, doch lieber zu bleiben und mal selbst etwas aus Holz herzustellen. Da sie manchmal auch Workshops für Kinder oder auch Erwachsene anbietet, hatte sie auch viele kleine Muster für Figuren und Holzstücke da, aus denen ich mir etwas aussuchen und nachbauen konnte. Aber ich wäre ja nicht ich, wenn ich etwas bereits Vorgefertigtes nachahmen würde…ich mache es mir ja gerne möglichst kompliziert und so zückte ich meinen Skizzenblock und entschied, selbst etwas zu gestalten. Was schließlich daraus geworden ist, kann man gleich auch weiter unten bestaunen.

Wir aßen in der Werkstatt auch zu Mittag (Kimura-sans Mann kam dazu, da er auch selbstständig ist und seine „Firma“ gleich nebenan). Wir unterhielten uns dabei noch ewig über Arbeit, mein Studium und was ich später einmal gerne machen würde. Ich war sehr beeindruckt, wie glücklich die beiden waren, als sie darüber sprachen, dass sie mit ihrer Arbeit ihren Traum verwirklichen konnten.

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Eine süße Quaggan-Familie, made by me. Eigentlich war ursprünglich nur einer (der rechts) geplant gewesen, aber Kimura-san fand sie so niedlich und bat mich, noch mehr zu machen^^

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Und ein paar torii, angelehnt an den fushimi inari in Kyôto. Eigentlich hatte ich noch einen Wal und eine Katze gemacht, von denen habe ich aber keine Fotos gemacht^^

Am Nachmittag dann fuhren wir gemeinsam zum Kindergarten, um den kleinen Sohn der beiden abzuholen, und später dann zurück zum Haus. Da es noch hell war, beschloss ich, einen Spaziergang durch die Gegend zu machen. Es war sehr entspannend, da es dort doch sehr ländlich war. Nur ein paar einzelne Häuser, dazwischen endlose Felder, bedeckt mit Schnee. Es war sehr friedlich. Ich entdeckte einen kleinen Schrein und bog später in eine etwas belebtere Straße ein, in der ich auch einen Konbini fand. Als ich den Verkäufer nach Briefmarken nach Übersee fragte, war er etwas ratlos und empfahl mir, die Post aufzusuchen. Er kam sogar mit vor den Laden, um mir den Weg besser erklären zu können. Das fand ich sehr nett; in Deutschland ist das schon fast unvorstellbar für mich, dass jemand extra seinen Arbeitsplatz verlässt, um mir weiterzuhelfen. Und ich hatte im Ende ja noch nicht einmal was dort gekauft. Ich bedankte mich auf jeden Fall für die Hilfe und machte mich auf den Weg zur Post, die ich dann auch gleich fand.

Was mir besonders gefallen hat, war, dass der Verkäufer überhaupt nicht überrascht schien, dass ich Japanisch sprach. Im Gegenteil, er redete mit mir ganz normal, ohne sich um einfache Wörter oder etwas langsamere Sprache zu bemühen, wie es manche Japaner tun, wenn sie sehen, dass man noch nicht so ganz sicher in der Sprache ist. Vielleicht bin ich aber auch nur besser darin geworden, den Eindruck zu erwecken, ich könne extrem gut Japanisch. Als würde ich hier schon lange leben (was ja irgendwie auch halb stimmt). Oder dort verirren sich nur selten mal Ausländer hin^^

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Gyôza in ihrer rohen Form. Man kann eigentlich hineintun, was man will, und dann muss man sie eben noch entsprechend Formen. Meine sind die links.

Gut gelaunt also ging ich weiter, kaufte die Briefmarken und machte mich auf den Rückweg, da es bereits dunkel wurde. Ich verlief mich zwar ein bisschen in den engen Gassen in der Nähe des Hauses, da alles irgendwie gleich aussah, aber praktischerweise fand ich dann eine Tafel, auf der eine Karte der Umgebung sowie die Namen der Anwohner samt zugehörigem Haus standen. Damit fand ich das richtige Haus dann zum Glück auch und wurde auch von einer etwas besorgt wirkenden Kimura-san begrüßt, die sich schon gefragt hatte, wo ich denn blieb. Scheint, als würden Japaner selten Spaziergänge machen, die zwei Stunden dauern…^^

Zum Abendessen bereiteten wir dann gemeinsam Gyôza (eine Art Teigtaschen) zu, was auch sehr lecker geschmeckt hat. Dafür, dass ich sie früher nicht besonders mochte, mittlerweile aber liebe ich sie einfach.

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Und dann später beim Abendessen. Normalerweise taucht man Gyôza beim Essen noch in shôyu (Sojasoße). Dazu gab es dann noch Miso-Ramen.

Mittwoch dann fuhr mich Kimura-san noch zu den „Sweden Hills“, einer Gegend, in der (wie der Name vermuten lässt) schwedisch aussehende Häuser stehen. Und zwar auf einem Berg, sonst gibt es dort nichts (außer viel Schnee). Es war echt schön und friedlich dort. Wir spazierten ein wenig durch den Schnee (d.h. ich versuchte, nicht hinzufallen), schossen Fotos und genossen die Aussicht und das gute Wetter. Ich beschloss, hierher zu ziehen, wenn ich dann mal alt geworden bin und das mit den Gôyâ auf Tokashiki nicht funktioniert :P

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Sieht gar nicht so japanisch aus, oder?

Danach machte ich mich wieder mit der U-Bahn auf in Richtung Sapporo, um mir den wirklich riesigen Campus der hokudai (北大, Universität Hokkaidô) anzuschauen, fuhr dann zum kaitaku no mura (開拓の村) , das etwas entfernt war. Dabei handelt es sich um einen abgesperrten Bereich, in dem alte Häuser stehen, wie sie wohl früher mal in Hokkaidô ausgesehen haben. Es war auf jeden Fall sehr interessant und ich konnte sogar Studentenrabatt abgreifen mit meinem (mittlerweile abgelaufenen) Ryûdai-Studentenausweis…^^ Außer mir waren auch kaum Leute da, was natürlich auch angenehm war.

Dann sah ich mich noch im umliegenden Friedens-Park um und machte mich auf den Heimweg, da das Ganze doch schon länger gedauert hatte als angenommen.

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Und so sah es dann aus, als wir Okonomiyaki machten.

Zu Abend gab es dann selbstgemachte Okonomiyaki (die Pfannkuchen-Teile), was wieder sehr lecker war…ich stelle mal wieder fest, in Japan dreht sich das halbe Leben um Essen. Aber – es. Schmeckt. Einfach. Zu. Gut! >_<„

Tja, und damit war mein Hokkaidô-Aufenthalt auch schon zu Ende. Am nächsten Tag hieß es früh aufstehen, ein letztes gemeinsames Frühstück und dann fuhren wir alle zusammen zu der Bushaltestelle, von der ich damals abgeholt worden war. Ich verabschiedete mich herzlich für die Gastfreundschaft und dafür, dass sie so gut für mich gesorgt hatten. Kimura-san und ich versprachen uns auch, weiterhin E-Mails auszutauschen und dann stieg ich in den Bus, der mich zum Flughafen Sapporo brachte.

Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, so nette Leute getroffen zu haben, und auch dass Kimura-san mich damals, als ich erwähnte, dass ich mir gerne Hokkaidô ansehen würde, sofort einlud, doch bei ihr zu wohnen. Ich glaube, hätte ich in einem Hotel oder Hostel geschlafen, hätte ich nicht halb so viel erlebt. Und auch das Alltagsleben auf Hokkaidô unterscheidet sich sowohl von Nagasaki auf Kyûshû, wo ich damals auf der Farm gelebt hatte und natürlich auch von Okinawa. Schon klasse, was aus diesen zwei Stunden Gespräch letztes Jahr in Tokyo geworden ist.

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