Taifun-Party

Während vor meinem Fenster dank Chan-Hom die Welt untergeht, und das schon seit gestern, nun schon zwei Tage Unterricht ausfielen, ich meine Hausaufgaben und Vorträge für nächste Woche größtenteils schon vorbereitet habe und nicht viel zu tun habe, dachte ich, ich erzähle ein wenig was davon, wie es so in der Taifun-Zeit hier zugeht.

Sommer bedeutet in Okinawa (neben unerträglicher Hitze) Taifun-Zeit. Im Durchschnitt kommen hier so 7-8 Stück pro Jahr vorbei (die meisten innerhalb Japans; Tokyo z.B. kommt nur auf drei Stück jährlich), die meisten zwischen Juni und September. Vergangenes Jahr, als ich hier ankam, kamen im Oktober gleich zwei Stück nur eine Woche auseinander hier vorbei, Phanfone und Vong-fang, natürlich beide am Wochenende. Beide waren relativ stark, aber dauerten nicht so lange an.

Im Mai gab es hier auch einen Taifun, welcher allerdings schwächer war und nur einen Vormittag unterrichtsfrei bedeutete. Damit erlebe ich heute meinen insgesamt vierten Taifun.

Wenn sich im Ozean hier vorne ein Taifun bildet und Kurs auf Okinawa nimmt, so wird früh genug davon berichtet und genaustens im Auge behalten, wie schnell er sich auf Okinawa zubewegt, wie stark die Böen sind und wann er hier eintrifft. Dann gibt es eine schicke Website des japanischen Wetteramtes, auf der man sich anschauen kann, was für Warnungen gerade ausgegeben werden (Tsunami, Taifun, Erdrutsche, Vulkane, Schneestürme etc. pp. – letztere sind auf Okinawa eher selten ;) ). Wenn es eine 暴風 (bôfû, starker Sturm)-Warnung gibt, hat man sich drinnen aufzuhalten. Dann fällt auch der Unterricht aus (je nachdem, wann die Warnung aufgehoben wird, kann es vorkommen, dass nachmittags wieder Unterricht stattfindet). Wenn sich ein Taifun nähert, bekommen wir hier im Wohnheim auch immer rechtzeitig Bescheid gesagt, sodass man sich auch vorbereiten kann, als da wären: Zeitungspapier besorgen, um es in die Fensterritzen zu stopfen,  Zeugs von seinem Balkon reinholen, Cup-Nudeln und andere lange haltbare Nahrungsmittel besorgen etc.

Oft passiert es nämlich, dass der Strom ausfällt (war diese Nacht auch wieder zweimal der Fall, insgesamt für mehrere Stunden), und wenn man dann was leicht verderbliches im Kühlschrank hat, ist das schlecht (besonders bei Okinawas Temperaturen). Cup-Nudeln sind da praktisch, und da in Japan ja vorwiegend mit Gas und nicht mit Strom gekocht wird, kann man auch bei einem Stromausfall Wasser kochen. Zusätzlich besitzt jeder von uns eine Taschenlampe in seinem Zimmer, und auf den Fluren sowie in der Lobby gibt es eine Notstrombeleuchtung, die bei einem Stromausfall anspringt und dann noch einmal ein bis zwei Stunden leuchtet.

Bei uns heißt das: Hm, kein Licht. Draußen ist es zu laut, drinnen zu ruhig (der Kühlschrank summt nicht mehr). Da man bei Dunkelheit nicht schlafen kann (fragt nicht), gehen wir dann meist in die Lobby und sitzen da herum, futtern Eis und unterhalten uns. So saßen wir gestern auch wieder bei unserer 停電 (teiden, Stromausfall)-Party unten, selbst, als die Notfallbeleuchtung auch schon ausgegangen war, während draußen der Wind herumheulte. Eigentlich ganz gemütlich.

Wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man manchmal, wie bei Mos (Burgerladen) gegenüber die Lichter ausgehen, und bei Coco (Konbini) auch die Notstromversorgung anspringt. Konbinis haben ja immer, ich betone, IMMER, auf (auch bei Taifunen, jap. der arme Mensch, der da gerade Schicht hat) und wenn denen was aus den zahlreichen Kühlregalen vergammelt, ist das nicht so gut, daher haben die eigene Stromgeneratoren. Die Türen gehen dann auch nicht mehr automatisch auf, sondern der Mitarbeiter muss die manuell öffnen, die Mülleimer sind reingeholt worden…am Tage, wenn man sich die Vorbereitungen anschaut, kommt schon ein etwas seltsames Gefühl auf. Auch, wenn Osamu-san die Mülltonnen des Wohnheims vorsorglich wegsperrt, damit sie niemandem ins Fenster oder, noch schlimmer, ins Gesicht fliegen.

Trotz starker Sturmböen konnten wir gegen 5 Uhr morgens zusehen, wie ein Lastwagen neue Vorräte zu Coco geliefert hat. Okinawa halt :D

Wie schon erwähnt, muss man aufpassen, dass kein Regenwasser ins Zimmer eindringt. An meinen Fensterscheiben klebt verschiedenes Grünzeugs und sie sind so dreckig, dass ich wahrscheinlich auch ohne die Wasserwand nicht viel erkennen könnte, aber viel schlimmer ist, dass mir trotz Papier und Handtüchern Wasser ins Zimmer gekommen ist. Gnahh. Dennoch nicht ganz so schlimm wie beispielsweise bei Doro oder Steffi. Beide haben eine Randwohnung, und während bei Doro Wasser aus der Abzugshaube in der Küche trieft, tropft es bei Steffi von der Decke. Ich will nicht wissen, wie es im Zimmer darüber aussieht D:

Und so tobt hier seit gestern ein Taifun herum. Heute im Laufe des Tages wurde die Starksturm-Warnung zwar aufgehoben, allerdings ist es immer noch sehr sehr stürmisch (nur eben nicht mehr ganz so stark, haha) und man sieht bei dem Regen kaum was. Dennoch war ich vorhin kurz bei Coco, mir was zu trinken kaufen, und bei Mos, weil ich einen der neuen Curry-Burger probieren wollte. Habe dabei noch ein paar Kommilitonen getroffen, die sich auch die Beine vertreten wollten (und zur Abwechslung mal weniger als 35° herrschten). War ganz gemütlich, da zu sitzen und aus dem Fenster in den Regen zu schauen. Das Problem ist nur, dass der Regen eben nicht aufhört, und man schon bei der einen Minute Fußweg komplett nass wird (ein Regenschirm bringt im Übrigen absolut nichts, der zerbricht sofort bei den Winböen).

Wer Interesse hat, kann sich hier mal anschauen, was hier so in der Gegend herumwütet: Meteoearth. Die zentrierte Stadt, Ginowan, ist die nächste größere Stadt hier in der Gegend. Der nächste Taifun ist auch nicht mehr weit, wobei es sein kann, dass der doch nochmal den Kurs ändert und an Okinawa vorbeifegt. Dann bekommt man nur noch starken Wind mit. Chan-Hom ist streng genommen allerdings auch nicht direkt durch Okinawas Hauptinsel, sondern eine der südlicheren Inseln gewütet, aufgrund seiner Stärke aber ist hier auch schon Weltuntergangsstimmung.

Es ist wohl schwer, sich einen Taifun vorzustellen. In Deutschland kommt ja nur alle paar Jahre mal ein Sturm vorbei. Ich glaube, mich erinnern zu können, dass die Windgeschwindigkeit des Sturms Pfingsten 2014 maximal ca. 150km/h betrug. Chan-homs Böen schwankten bisher zwischen 220 und 270km/h, mal als Vergleich. Im Gegensatz zu Deutschland sind aber sowohl die Einwohner als auch die Pflanzen hier Taifune mehr oder weniger gewohnt, sodass die Häuser entsprechend gebaut sind, Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden und auch die Bäume, die hier stehen, haben schon einige Taifune überstanden und werden wahrscheinlich auch diesmal nicht umfallen.

Morgen planen wir, die meisten Szenen für unser Filmprojekt zu drehen. Ich denke aber, dass der Taifun sich langsam weiter Richtung China verzieht und wir deshalb morgen gut raus können.

_________________________________

Übrigens wurde ich hier schon ein paar Mal gefragt, welche Sprache in Deutschland denn eigentlich gesprochen wird. Manche glauben wohl immer noch, es sei Englisch, „weil Deutsche sprechen immer so gut Englisch“. Wie man’s sieht :D Ich wurde letztens, als ich mich mit einigen anderen Ausländern auf Englisch über den JLPT unterhalten hatte, von einem Amerikaner gefragt, ob ich Deutsche sei – das hatte er sofort an meiner Aussprache erkannt. Seufz. Der Test fand übrigens nicht an meiner Uni hier statt, sondern an der Christlichen Uni etwas weiter entfernt. Über den Test an sich schweige ich mich mal aus. Ich sage nur so viel: Kanji sind tatsächlich nicht meine Stärke. Aber das ist ja nichts Neues.

Damit der Beitrag nicht ganz so langweilig wird, füge ich noch ein paar zusammenhanglose Bilder der letzten Zeit ein.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>