Ein letzter Ausflug

Seit 10 Tagen befinde ich mich nun also in der Präfektur Nagasaki. Während der Nordosten Japans nach einem starken Taifun von heftigen Regenfällen, Überschwemmungen und Erdrutschen (sowie einem Erdbeben heute morgen in Tokyo) heimgesucht wird, scheint hier weiterhin die Sonne und es regnet nur ab und zu mal etwas. Dass es langsam Herbst wird, bemerkt man nur daran, dass es mittlerweile morgens doch etwas kühler ist. Da habe ich wohl Glück gehabt. Eine Woche, nachdem ich aus Okinawa weg war, traf dort ein Taifun ein, eine Woche, ehe ich nach Nagasaki kam, kam hier einer vorbei, und eine Woche, nachdem ich aus Tokyo weg bin, gab es dort einen. Geplant war das nicht, aber ich bin froh, allem irgendwie entkommen zu sein. Bis nächste Woche sollten die Flüge auch wieder alle planmäßig stattfinden, denke ich.

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Fischi!

Die meiste Zeit hier in Ômura verbringe ich mit auf der Farm aushelfen; glücklicherweise ist noch ein Mädchen aus Taiwan da, das mithilft, sodass es nicht zu viel auf einmal ist und man immer jemanden zum Quatschen hat. Da ich bereits schon einmal im Februar hier war, habe ich damals auch schon das meiste, was mich interessiert hatte, angeschaut; trotzdem nutze ich meine freien Tage dafür, nochmal was zu unternehmen.

So war ich vergangene Woche Freitag in der Präfekturhauptstadt Nagasaki, um mich noch einmal mit Steffi und Elli zu treffen, die beide auch gerade dort waren. Da ich früh los fuhr, hatte ich noch etwas Zeit, ehe die beiden kamen, die ich in einem Café am Bahnhof verbrachte. Gegen 11 Uhr dann kamen Elli und Steffi heran und wir beschlossen, zu Nagasakis Pinguin-Aquarium zu fahren, da Elli unbedingt dorthin wollte. Es befand sich etwa eine halbe Stunde Busfahrt von Nagasakis Hauptbahnhof entfernt und war echt interessant, außer leider dass die Räume und Becken etwas zu klein waren, wie in so vielen japanischen Zoos :/ Sehen konnte man verschiedene Pinguin-Arten (deren Namen ich fast alle wieder vergessen habe), ein paar Fische und Schildkröten. Gleichzeitig war auch Japans größter Fernsehsender NHK vor Ort und filmte Babypinguine und interviewte Besucher. Wir versuchten so unauffällig wie möglich zu sein, damit wir bloß nicht angesprochen werden…^^“ Ansonsten lagen noch Formulare aus, auf denen Besucher gebeten wurden, sich für die beiden jüngsten Pinguine Namen zu überlegen. Steffi und ich füllten gleich noch eines aus, einmal mit dem Vornamen unserer tollen Klassenlehrerin von der Ryûdai und einmal dem Spitznamen eines Klassenkameraden. Falls mal wer in Nagasakis Pinguin-Aquarium geht und dort zwei Zwergpinguine namens Kyôko und Sofia findet, ihr wisst Bescheid ;)

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Die beiden hier fand ich besonders süß.

Danach waren wir etwas hungrig und gingen in ein italienisches Restaurant, um zu Mittag zu essen – ja, kurz bevor es zurück nach Deutschland geht, wo es schwer ist, gutes und günstiges japanisches Essen zu finden, geht man in Japan europäisch essen. Einfach, weil…darum! Lecker war es trotzdem.

Nach dem Essen wollten wir eigentlich in Richtung Hafen, da das Wetter gut war, aber wir entdeckten ein Game-Center in der Nähe und wollten nur „kurz“ für „ein paar Runden“ hinein. So verbrachten wir die nächsten beiden Stunden im Game-Center (während draußen die Sonne scheinte, also genau so, wie es sich gehört ^^) und aus dem Hafenbesuch wurde nichts…^^“ Sogar Steffi spielte ein paar mal mit, wovor sie sich vorher immer gedrückt hatte. Natürlich erst, nachdem sie die Maschine, bei der man sich eine Mitgliederkarte kaufen kann, zerstört hat…fast :P

Mein Okinawa-Hintergrundbild kam bestimmt gut an, hehe.

Später dann wurde es allmählich dunkel und wir entschlossen, auf den Inasayama zu gehen, einen der zahlreichen Berge um Nagasaki herum. Normalerweise kann man da mit einer Seilbahn rauffahren, aber erstens ist diese ziemlich teuer und zweitens fährt die momentan aufgrund von Wartungsarbeiten ohnehin nicht, sodass wir stattdessen mit dem Bus hinauffuhren, der nur 150 Yen kostete, und später in den kostenlosen Shuttle-Bus umstiegen.

Die Aussicht auf Nagasaki bei Dunkelheit soll eine der Top 3 Nachtsichten Japans sein und man sagt, der Ausblick sei 10 Millionen Dollar wert. Gut, dass wir für 150 Yen rauf durften :D

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Nagasaki bei Nacht. Verrauschte Handybild-Qualität, wuhu~

Zunächst sahen wir uns also den Sonnenuntergang an und später dann Nagasaki bei Dunkelheit mit seinen Lichtern. Ich muss sagen, es war wirklich sehr schön, aber 10 Millionen Dollar würde ich dennoch nicht dafür zahlen. Toll war es trotzdem :)

Da Elli langsam kalt wurde (ob es daran liegt, dass sie aus Australien kommt?), gingen wir später wieder zurück und Abendessen (amerikanisch, weil…ihr wisst schon. Japan und so). Mittlerweile war es auch schon fast 10 Uhr abends und da um 10 Uhr mein letzter Zug nach Ômura fuhr, verabschiedeten wir uns schließlich und während die beiden zu ihrem Hotel gingen, fuhr ich zurück nach Ômura. Ich war auch ziemlich müde an dem Abend, waren wir doch fast die ganze Zeit von morgens bis abends herumgelaufen und hatten uns Dinge angesehen.

Mittlerweile ist das auch schon über eine Woche her, heute ist Samstag und Dienstag geht mein Rückflug nach Deutschland. Dafür fliege ich nachmittags gegen halb 4 erst einmal von Nagasaki nach Ôsaka/Kansai (was nur etwa etwas über eine Stunde dauert, aber günstiger und bequemer ist als mit dem Zug) und warte dort ca. 8 Stunden, da mein Rückflug nach Deutschland erst um kurz vor Mitternacht ist. So hoffe ich, die Nacht durchzufliegen, damit ich schlafen kann und hoffentlich einigermaßen wach in Düsseldorf ankomme. Hoffentlich bin ich nur nicht zu verpennt, nachts das richtige Gate in Dubai zu finden, wo ich ja umsteigen muss :D

Ich weiß nicht, ob ich bis dahin noch einen Blogeintrag verfasse. Je nachdem, ob ich noch was Tolles hier unternehme, über das sich zu schreiben lohnt. Momentan verbringe ich die meiste Zeit aber eher mit Farmen, Brot backen und mir Sorgen um mein Gepäck machen. Ansonsten poste ich wohl erst einen (vorerst?) letzten Beitrag, wenn ich wieder zurück bin.

Bin ich wirklich schon fast ein Jahr in Japan? Kaum zu glauben, wie die Zeit vergeht…Es ist ein komisches Gefühl, wenn Leute fragen, was man hier so macht, nicht mehr zu sagen „ich bin Austauschstudent und studiere in Okinawa an der Ryûdai“, sondern „ich war Austauschstudent, habe mein Studium an der Ryûdai beendet und fliege nächste Woche heim“.

Aber so ist das nun einmal.

Bleibt nur die Hoffnung, möglichst bald wieder herkommen zu können und all die netten Leute zu besuchen, die man getroffen hat.

Ansonsten bis demnächst in Deutschland und vielen Dank an diejenigen, die meinen Blog gelesen haben,

bis bald,

eure Sylvia

Nagasaki, Stadt des Kuchens, Part III / Oku no sanso

Letzter Teil über meinen Aufenthalt in der Präfektur Nagasaki. Diesmal geht es weniger um die Präfekturhauptstadt an sich als viel mehr um Ômura.
Die letzten Tage verbrachte ich noch damit, ein paar Spaziergänge zu unternehmen, unter anderem durch den Park von Ômura, in dem ein großer Schrein steht, und auch allgemein durch die Gegend.

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Alles Biobrot^^

Am 28. Februar ging es für mich zurück nach Okinawa. Die beiden, die mich beherbergten, schenkten mir zum Abschied noch Brot und Gebäck aus eigener Produktion und freuten sich sehr über das japanischsprachige Backbuch über deutsche Backkunst, das ich ihnen zum Dank schenkte. Sie versprachen, für mich deutschen Kuchen zu backen, wenn ich sie wieder besuchen komme – eventuell im Sommer, wenn es wärmer ist. Ich freue mich, bei so netten Menschen gelandet zu sein!

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Irgendwo im Nirgendwo auf Okinawa stand dann dieses Haus hier.

Vom 5. bis zum 8. März dann ging es zum Oku no sanso – einer Exkursion mit den Germanistikstudenten, zu der wir eingeladen worden waren. Herr Weber, einer der Dozenten, den wir bereits in Düsseldorf einmal getroffen hatten, hatte uns schon vorher einmal gefragt, ob wir mitkommen wollen würden und so fuhren Steffi und ich dann für drei Tage mit in den Norden Okinawas. Herr Weber hatte von einem „Deutsch-Camp“ gesprochen und naja, irgendwie stand das Haus, in dem wir die vier Tage verbrachten, irgendwo mitten im Wald und es schien echt nichts drumherum zugeben. Ganz abgeschieden also von der Außenwelt :D

Bei dieser Exkursion ging es darum, dass die Germanistik-Studenten verschiedene Projekte und Gruppenarbeiten zum Thema „Große Persönlichkeiten aus deutschsprachigen Ländern“ machen sollten. Dann gab es noch „deutsches“ Essen und Filmabende auf Deutsch. Es war ziemlich lustig und Steffi und ich halfen bei den Projektarbeiten aus und erzählten am Ende dann noch was zu unserer Uni in Düsseldorf. Abends dann wurden oftmals Brettspiele gespielt oder sich einfach in gemütlicher Runde unterhalten – obwohl es ja eigentlich darum ging, Deutsch zu lernen, sprachen aber alle trotzdem Japanisch xD‘

Am letzten Tag beschlossen wir dann, noch spontan ins Aquarium zu fahren, das gar nicht so weit entfernt war. Ich hatte schon lange einmal hinfahren wollen, aber ohne Auto gestaltet sich das schwierig, deshalb habe ich mich sehr darüber gefreut, dass die anderen Studenten dahin wollten. Das Churaumi Aquarium ist das zweitgrößte Aquarium der Welt und man konnte sehr viele interessante Fische und andere Meeresbewohner darin sehen^^

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Die Studenten gaben sich alle sehr viel Mühe mit ihren Vorträgen. Ich war überrascht, wie konzentriert un fleißig alle gearbeitet haben! Sowas bin ich aus Deutschland gar nicht gewöhnt :D

Insgesamt war es ein schöner Ausflug und ich habe noch ein wenig mehr von der Natur Okinawas sehen können – es war das erste Mal, dass ich im Norden der Insel war und die Landschaft dort ist wirklich sehr sehr schön. Wirkt ganz schön exotisch^^

Leider hatte ich meine Kamera nicht dabei, daher sind alle Fotos mit dem Handy gemacht worden. Sorry dafür.

So. Habe ich das nun auch fertig. Momentan befinde ich mich seit dem 10. März in Fukuoka (bin halt ständig unterwegs^^) und möchte kurz erwähnen, dass weitere Beiträge auf sich warten lassen könnten; erstens, da ich unterwegs bin, und zweitens, da sich mein neuer (!) Laptop nach etwa zwei Monaten auch ins Jenseits verabschiedet hat…Danke dafür an Steffi, dass sie mich ihren Laptop benutzen lässt, damit ich wenigstens den einen Beitrag hier schreiben kann.

Wenn ich zurück auf Okinawa bin (Anfang April), werde ich mich dann darum kümmern, den Rechner zurückzuschicken und mir einen neuen zu besorgen…

Nagasaki, Stadt des Kuchens, Part II

Weiter geht es mit Nagasaki.

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Ein Monument für 26 Märtyrer, die im 16. Jahrhundert in Nagasaki geopfert wurden.

Da ich die ganze Zeit so viel fror, wurde ich irgendwann einmal nach Nagasaki gebracht mit dem Auftrag, mir einen Pulli zu kaufen. Und natürlich nutzte ich den ganzen Tag auch damit, mir viel anzuschauen!

Wie praktisch, dass die Fahrt mit der Straßenbahn immer 120 Yen gekostet hat, egal, wie viele Stationen man fuhr. So ging ich erst einmal zu einem recht großen Schrein, dessen kami die Gestalt eines Pferdes hatte, wie mir eine freundliche Japanerin dort erklärte. Überhaupt wurde ich andauernd von Leuten angesprochen, die mir entweder den Weg zeigen, mir etwas Interessantes zu dem Ort, an dem ich mich gerade befand,  erzählen wollten oder mir anboten, Fotos für mich zu schießen xD

Danach machte ich mich auf den Weg zu einem Tempel, der in der Nähe war.

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Ich fand den Tempel wegen seiner roten Farbe beeindruckend, sonst gab es im Inneren aber nicht viel zu sehen.

Nachdem ich also die obligatorischen Schrein- und Tempelbesuche abgehakt hatte, machte ich mich auf den Weg zum Heiwa-Kôen bzw Friedenspark. Wie der Name schon vermuten lässt, ist dieser Park erbaut worden, um die Menschen an den Atombombenabwurf auf Nagasaki 1945 zu erinnern. In dem Park stehen viele Statuen und Monumente, teilweise auch gespendet von anderen Ländern sowie Tafeln, die die Geschichten von Opfern und Überlebenden erzählen sowie weitere Tafeln mit Informationen zu der damaligen Situation. An einem Ende des Parks befindet sich ein Brunnen und am anderen eine große Statue.

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Schild am Eingang zum Friedenspark (heiwa kōen).

In der Nähe des Parks dann befindet sich auch der Ground Zero. An der Stelle, an der die Bombe (in 500m Höhe) explodierte, steht eine schwarze Säule. Ansonsten ist drumherum nicht viel mehr, außer einem Stück Kirchenmauer, die stehengeblieben ist, einigen Pfeilern sowie einer weiteren Statue mit der einfachen Aufschrift „1945 8.9. 11:02′“, Datum und Uhrzeit der Explosion. Ich muss sagen, dass ich das sehr beeindruckend fand.

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Hier, in 500 Metern Höhe, explodierte die Bombe.

Ein Stückchen entfernt befand sich das Atomic Bomb Museum. Ich möchte später diesen Monat, wenn ich in Hiroshima bin, auch in das dortige Museum gehen, auch wenn es vielleicht ganz ähnlich aufgebaut ist. Zunächst am Eingang befinden sich ganz viele Origami-Kraniche, an einer Schnur sogar 1.000 Stück davon. Es gibt in Japan die Legende, dass man einen Wunsch erfüllt bekommt, wenn man 1.000 davon faltet.  Nachdem ein japanisches Mädchen, das infolge des Bombenabwurfs auf Hiroshima an Leukämie erkrankte, 1.000 davon faltete, um gesund zu werden, wurden sie außerdem zu einem Friedenssymbol. Auch im Park standen Kranichfiguren.

Ich muss sagen, der Besuch des Museums war für mich ziemlich bedrückend. Ausgestellt waren Gegenstände und Kleidungsstücke, Tafeln mit Hintergrundinformationen, Fotos, Berichte von Opfern, eine Nachbildung der Bombe und Ähnliches.

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11:02 Uhr

Besonders beeindruckt hat mich eine Uhr aus einem Gebäude in unmittelbarer Umgebung der Explosion. Sie ist zerbrochen und stehengeblieben um 11:02 Uhr – der Zeit der Explosion.

Es gab auch Bilder der völlig zerstörten Umgebung und Erzählungen von Überlebenden und Opfern. Ich habe nicht alle gelesen, da ich mich die, die ich gelesen habe, schon ziemlich schockiert haben. Ich meine, klar, man hat davon gehört, man denkt sich „das war sicher schlimm!“, aber es ist nochmal ganz anders, sich dann sowas an genau der Stelle anzuschauen. In Berlin war ich mal in einem Stasi-Gefängnis und einem anderem Museum, da hatte ich ein ähnlich mulmiges Gefühl.

Was mich besonders bewegt hat und ich vorher auch nicht wusste, war die Tatsache, dass Nagasaki gar nicht das primäre Ziel an diesem Tag war – eigentlich sollte die Bombe auf eine andere Stadt (Kokura) abgeworfen werden. Aber weil das Wetter an diesem Tag schlecht war und viele Wolken über der Stadt hingen, wurde stattdessen Nagasaki zum Ziel – auch dort lagen viele Wolken über der Stadt, aber in einem Augenblick war die Wolkendecke aufgerissen. Das hat mich erschrocken, dass die Bombe eigentlich eine andere Stadt treffen sollte und wegen des Wetters aber das Ziel gewechselt wurde. Und wenn die Wolkendecke in dem Moment nicht aufgegangen wäre, wäre die Bombe vielleicht auch gar nicht abgeworfen worden…?

Ich kann das Gefühl kaum beschreiben, das ich die ganze Zeit über in dem Museum hatte. Ich glaube, den anderen Besuchern ging es genauso, alles war sehr still und düster.